zur Erinnerung
Prominente aus Film, Funk, Fernsehen, Sport

reden über ihre Erfahrungen und ihr Leben in der DDR

Heinz Florian Oertel - mehr als "nur" ein Reporter
Heinz Florian Oertel - in Cottbus 1927 geboren - entdeckt früh seine Leidenschaft für den Sport. Seine journalistische Karriere startet in seinem Geburtstort – mit seiner ersten Rundfunkreportage 1949. © MDR

Das Gründungsjahr der DDR 1949 wurde für ihn ebenfalls zum "Gründungsjahr". Da begann seine einzigartige Reportertätigkeit.

Die "Goldene 17": Ganze 17 Mal wurde er "DDR-Fernsehliebling" (ist in etwa vergleichbar mit der "Goldenen Henne"). 17 Mal begleitete er die Sportler ("made in GDR") bei Olympischen Spielen. 17 Mal war er live dabei, wenn die "Friedensfahrt" durch "nichtkapitalistische" Ausland rollte...

Sein Markenzeichen war dabei die "sonore Stimme", eine so wunderbar bildhafte Sprache und das unglaubliche Fachwissen.

"Heinz Florian Oertel prägte mit seinen Reportagen Generationen von Sportfreunden und Fernseh-Unterhaltungsgenießern in der DDR."

Freunde und Kollegen schwärmen für den herzensguten Heinz Florian!

Und das sind: Sportlegenden wie Katarina Witt, Christine Stüber-Errath, Marita Meier-Koch, Freunde wie Waldemar Cierpinski, Peter-Michael Diestel und Täve Schur, Sportreporterkollegen wie Dirk Thiele, Klaus-Jürgen Alde und Thomas Skulski. Und die unverkennbare Agnes Kraus hat auch ein Wörtchen mitzureden!

Und sie ALLE haben in der Tat NUR positive Worte für den HEINZ FLORIAN OERTEL, der einst sagte:

"Ich habe mich nie über die Athleten gestellt, sie nicht als mein Arbeitsmaterial gesehen. Für mich war der Sport ein dankbares Geschenk."

Und sein Erfolg beruht auch darauf, dass er selbst bei Niederlagen liebe Worte fand für "seine Sportler"...

Nennen Sie Ihren Sohn... Heinz Florian Oertel wird 90 Sport und Show, Reden und Schreiben: Heinz Florian Oertel konnte alles. Seine Moderation zum Olympiasieg von Waldemar Cierpinski wurde Kult. Am Montag wird der rasende Reporter des DDR-Sports 90 Jahre alt. Aber nicht das hat ihm die Stimme verschlagen.

Von Ralf Jarkowski (dpa)

erschienen am 10.12.2017

Heinz Florian Oertel im Stadion von Einheit Pankow in Berlin. Von diesem Sportplatz hat der ehemalige Sportreporter 1950 seinen ersten Radiobericht über ein Fußballspiel gesendet. Das Foto wurde vor rund drei Jahren aufgenommen.
Foto: Bernd Von Jutrczenka/dpa

Berlin. Seine markante Stimme machte ihn bekannt, sein "Waldemar, Waldemar!" für immer berühmt. Der Reporter mit der hohen Stirn und der blumigen Sprache gehörte vier Jahrzehnte lang zum DDR-Alltag - wie der Trabi und die Soljanka, wie Täve Schur und die Aktuelle Kamera. Dass es Heinz Florian Oertel mal die Sprache verschlägt, das kommt höchst selten vor.

Doch kurz vor seinem 90. Geburtstag am kommenden Montag hat es ihn heftig erwischt: Ein starker Infekt setzt Oertel matt, er ist erkältet und spricht kein Wort, um es nicht noch schlimmer zu machen. An eine Geburtstagsparty zum 90. selbst daheim in Berlin ist nicht zu denken. Oertels Ehefrau Hannelore hält alle Aufregung und vor allem Interview-Wünsche von ihrem Mann fern. Seit 60 Jahren kennen sich die beiden schon. "Wir möchten jetzt Ruhe haben! Ich möchte, dass er 95 wird", sagt sie. Beide besinnen sich auf ein altes Ritual, um die geplagte Stimme des Mannes zu schonen: "Einmal nicken heißt Ja, zweimal nicken Nein."

Der Berliner Radsportler Axel Peschel wird nach seinem Sieg in der "Stunde der Matadore" von Heinz Florian Oertel interviewt.
Foto: Zentralbild/dpa

Mit drei prägnanten Sätzen in neun Sekunden setzte sich Oertel am 1. August 1980 - ungewollt und ungeahnt - selbst ein Reporterdenkmal. "Liebe junge Väter oder angehende - haben Sie Mut! Nennen Sie Ihre Neuankömmlinge des heutigen Tages ruhig Waldemar! Waldemar ist da!" Zum zweiten Mal nach 1976 kommentierte der gebürtige Lausitzer nun in Moskau das olympische Goldrennen von Marathonläufer Waldemar Cierpinski. Noch heute wird der Läufer aus Halle an der Saale jede Woche "drei- bis viermal auf der Straße" auf diesen "Waldemar" angesprochen. Was Cierpinski wohl keiner glaubt: Den originellen Spruch seines Freundes fand der Hallenser damals gar nicht so witzig. "Flori, was hast du denn da rausgehauen?", fragte er ihn später.

Der Reporter und der Sportler sind bis heute befreundet, Cierpinski kam auch in die Talkshow des DDR-Fernsehens, "Porträt per Telefon" - von Oertel moderiert. 254-mal interviewte er seine prominenten Gäste. Show und Sport - das konnte er wie kein Zweiter, sogar vor Gesangseinlagen mit DDR-Schlagerstar Frank Schöbel drückte sich der Mann mit der unverkennbaren Baritonstimme nicht.

"Unterhaltung und Sport, da sah ich keinen Unterschied. Das hat sich für mich immer sehr, sehr gut ergänzt", erzählte Oertel einmal. Der Reporter hat sich immer als medialer Mehrkämpfer gesehen. Der populäre Entertainer schrieb auch Kolumnen, gleich für drei Montagszeitungen. Sagte seine Meinung, verbog sich nicht.

Doch zuallererst war Oertel die Stimme des DDR-Sports - beim Berliner Rundfunk von 1951 bis 1990, seit 1955 auch beim DDR-Fernsehen. Seine erste Rundfunkreportage lieferte er 1949 aus dem Stadion der Freundschaft seiner Heimatstadt Cottbus. Noch heute erinnert sich Oertel an das Brandenburg-Finale im Frauen-Handball - und sogar an die einzige Torschützin. Später kamen die Fünf-Minuten-Reportagen von der Friedensfahrt der Radamateure dazu - live aus dem rollenden Übertragungswagen.

Der Marathonläufer Waldemar Cierpinski gewinnt 1976 bei den Olympischen Sommerspielen in Montreal die Goldmedaille.
Foto: Roland Witschel/dpa

Von seinen Millionen Fans wurde der eloquente Tausendsassa insgesamt 17-mal zum "Fernsehliebling des Jahres" gewählt - ein Ritterschlag, denn das schaffte kein anderer aus der DDR-Prominenz. Bei 17 Olympischen Spielen, acht Fußball-Weltmeisterschaften sowie 25 Welt- und Europameisterschaften im Eiskunstlauf war er live auf Sendung. In seinen zusammen 50 Berufsjahren reiste der kahlköpfige Reporter auf alle Kontinente - und wurde so zum Weltbürger der kleinen DDR.

Oertels Markenzeichen waren Stimme und Sprache, seine Vorzüge: immenses Fachwissen, Phantasie, Liebe zum Sport und seine Bescheidenheit. Er hielt Distanz, war aber immer nah dran, wenn's im Stadion rundging. Finnlands viermaligen Langlauf-Olympiasieger Lasse Virén nannte Wortakrobat Oertel im Überschwang der Gefühle "Tartan-Elch". Er suchte nicht Behle, sondern fragte bei einem Radrennen schon mal besorgt: "Aber wo bleibt Täve?"

Nach dem Mauerfall war für Oertel Sendeschluss - als populäres Sprachrohr des alten Systems wurde er ignoriert. Auch seine unbestrittenen Fähigkeiten als Allrounder und der große Respekt bei West-Kollegen waren kein Türöffner für die öffentlich-rechtlichen Anstalten im vereinten Deutschland. Unterstellungen, er habe oft die Nähe zu den diktatorischen Sportfunktionären der DDR gesucht oder für die Stasi gearbeitet, weist er zurück.

Als der Mann mit dem Mikrofon selber einmal interviewt wurde, da sagte er, etwas nachdenklich: "Jeder Mensch ist ein Unikat, jeder, wirklich jeder ist auf seine Weise einmalig." Für einen wie Heinz Florian Oertel gilt das ganz besonders.


Quelle: FP vom 10.12.2017


© infos-sachsen / letzte Änderung: - 22.01.2023 - 11:08